Solidarität statt Abschottung! Welche Auswirkungen hat Rechtsruck auf Asylpolitiken? Wie verändert sich dadurch unsere Gesellschaft?
- Finn Eilts
- 17. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Juli
Die politische Stimmung in Deutschland hat sich in den letzten Jahren spürbar verändert. Dies drückt sich unter anderem in einem Stimmenzuwachs der AfD, aber auch gesamtgesellschaftlich in einer Verschiebung von Positionen in Richtung konservativer, nationalistischer und rechtspopulistischer Ansichten. Insbesondere in konkreten Politiken sowie Diskursen und Narrativen um die Themenfelder Flucht und Migration wird dies deutlich. Doch was sind eigentlich konkrete Auswirkungen des Rechtsrucks? Wer ist davon betroffen? Wie verändert sich die Gesellschaft? Wie wollen wir uns positionieren und wie wollen wir handeln.
Phänomen Rechtsruck
Der Begriff Rechtsruck beschreibt eine politische Entwicklung, bei der sich die öffentliche Debatte, Parteienprogramme und politische Entscheidungen stärker nach rechts verschieben. Zudem geht damit ein Erstarken rechter Parteien einher. In Deutschland ist das besonders an den Wahlerfolgen der AfD, aber auch an der schärferen Rhetorik etablierter Parteien wie CDU/CSU oder FDP zu erkennen, welche als Reaktion auf die Wahlerfolge der AfD teilweise deren Inhalte übernehmen. So hieß es z.B. in einem mittlerweile nicht verfügbaren Instagram-Beitrag der CDU-Politikerin und aktuellen Bundestagsministerin Julia Klöckner: „Für das, was ihr wollt, müsst ihr nicht die AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU“.
Asyl unter Druck
Diese Verschiebung hat konkrete Folgen: Gesetze werden verschärft, Asylverfahren beschleunigt, Rückführungen ausgeweitet. Gleichzeitig geraten Schutzsuchende, Unterstützer*innen und ehrenamtliche Initiativen unter Druck – juristisch, politisch und gesellschaftlich. Migration wird zunehmend als „Problem“ diskutiert, nicht mehr als Realität oder Chance.
In den letzten Jahren hat die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die das Asyl- und Aufenthaltsrecht deutlich verschärfen. So wurden Grenzkontrollen an mehreren Übergängen wieder eingeführt – offiziell zur „Sicherheit“, faktisch aber auch, um Schutzsuchende direkt an der Einreise zu hindern. Neue Gesetze wie das sogenannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“ ermöglichen es Behörden, Menschen leichter abzuschieben, selbst wenn sie schon lange in Deutschland leben. Der Familiennachzug wurde eingeschränkt, insbesondere für Menschen mit sogenanntem „subsidiärem Schutz“. Parallel dazu plant die Union, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern – ein Modell, das stark kritisiert wird, weil es grundlegende Menschenrechte gefährden kann. Insgesamt zeigen diese Veränderungen: Der Zugang zu Schutz in Deutschland wird systematisch erschwert – und das mit breiter politischer Unterstützung.
Für viele geflüchtete Menschen haben die politischen Verschärfungen direkte und teils drastische Folgen. Wer in Deutschland Schutz sucht, muss mit längeren Verfahren, unsicherem Aufenthaltsstatus und der ständigen Angst vor Abschiebung leben – selbst wenn man bereits Arbeit hat oder gut integriert ist. Der eingeschränkte Familiennachzug bedeutet oft, dass Eheleute oder Kinder jahrelang getrennt bleiben. Neue Rückführungsregelungen führen dazu, dass Menschen ohne Vorwarnung in Abschiebehaft kommen können. Hinzu kommt: Die politische Stimmung verschärft sich – die Anzahl rassistischer Angriffe ist höher. Dies hat unmittelbare Auswirkung auf das Sicherheitsgefühl Geflüchteter.
Wenn Sprache Grenzen zieht
In den letzten Jahren hat sich nicht nur die Politik verändert – auch die öffentliche Debatte über Flucht und Migration ist deutlich nach rechts gerückt. Medien und Politiker*innen sprechen immer häufiger über „Abschiebezahlen“, „illegale Migration“ oder „Grenzsicherung“. Solche Begriffe wirken auf den ersten Blick sachlich, prägen aber, wie wir über Menschen auf der Flucht denken. Migration erscheint plötzlich nicht mehr als Teil einer offenen Gesellschaft, sondern als Problem, das „gelöst“ werden muss. Dadurch werden Haltungen normalisiert, die früher als menschenverachtend galten – und der Raum für solidarische Perspektiven wird kleiner.
Was bedeutet das für die Gesellschaft?
Die Folgen des Rechtsrucks betreffen längst nicht nur Geflüchtete. Wenn politische Entscheidungen auf Ausgrenzung und Abschreckung setzen, verändert sich auch das gesellschaftliche Klima: Misstrauen gegenüber Minderheiten wächst, Solidarität gerät unter Druck. Menschen, die sich ehrenamtlich oder beruflich für Geflüchtete einsetzen, stehen oft unter Rechtfertigungsdruck oder werden offen angefeindet. Gleichzeitig entsteht eine Spaltung der Gesellschaft: Während ein Teil strengere Migrationspolitik begrüßt, lehnt ein anderer Teil sie entschieden ab. Die Frage, wie offen oder abschottend Deutschland sein will, wird so zu einem zentralen Streitpunkt unserer Zeit – mit Auswirkungen auf Zusammenhalt, Demokratie und das Selbstverständnis eines vielfältigen Landes.
Unsere Antwort: Solidarität
Trotz – oder gerade wegen – der politischen Verschärfungen wächst auch der Widerstand. Überall in Deutschland setzen sich zivilgesellschaftliche Gruppen, Initiativen und engagierte Einzelpersonen für Geflüchtete ein. Soziale Bewegungen organisieren Demos, informieren über Rechte oder helfen konkret vor Ort – etwa bei Behördengängen oder mit Sprachkursen. Auch viele junge Menschen mischen sich ein, gründen Schulgruppen oder beteiligen sich an Protestaktionen gegen Abschiebungen. Diese Form der Solidarität von unten zeigt: Die Gesellschaft ist nicht einheitlich, und viele wollen nicht hinnehmen, dass Schutzsuchende entrechtet werden. Der Einsatz dieser Gruppen ist ein wichtiges Gegengewicht – für Menschlichkeit, Vielfalt und Demokratie.
Gesellschaftlicher Wandel ist kein Selbstläufer – er wird mitgestaltet. Von Parteien, Medien, aber eben auch von uns. Von Jugendlichen, jungen Erwachsenen, Schüler*innen, Azubis und Studierenden. Die Frage ist also nicht nur, wie Deutschland mit Migration umgeht – sondern auch: Wie wollen wir als Gesellschaft miteinander leben? Und was möchten wir dafür tun?